Die Autobiografie des Traumreisenden ist das natürlich noch nicht. Aber vielleicht deren Anfang. Oder es sind einfach die ersten Zeilen jenes Tages, an dem ich ganz unten war und dachte, es gibt kein morgen mehr.
Da stand ich nun also jenseits der Zollabfertigung des Moi International Airports, Mombasa, Kenia. Es war schattige 29 Grad warm, die Luftfeuchtigkeit betrug gefühlte 70 Prozent und ich starrte ziemlich dämlich aus der Wäsche. Mein Leben war ein Trümmerfeld. Das lag an meinem Vater. Zumindest teilweise. Er hatte mir vor gut zwei Wochen eröffnet, dass er unseren Familienbetrieb aufgeben würde. Und dann war da noch Melanie. Sie hatte mir den Laufpass gegeben. Weil ich ich war, meine Mutter mal wieder das Schwiegermonster hatte raushängen lassen und natürlich wegen ihm. Detlef, Dirk, Denis, keine Ahnung mehr. Sie wollte einen Kerl, der ihr auch mal eine scheuert und nicht nur immer Blumen schenkt. Einen, bei dem sie sich anlehnen kann. Das hat sie gesagt. Kein Scheiß …
Rückblickend muss ich gestehen, dass mich die linke Nummer meines Vaters eigentlich nicht hätte überraschen sollen. Der Mann hatte es bereits mein ganzes Leben lang zu einer olympischen Disziplin erhoben, mir Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Warum? Fragen Sie mich nicht. Vielleicht hätte er lieber ein Mädchen gewollt. Oder gar keine Kinder. Was weiß ich.
Aber Melanie …
… das war etwas ganz anderes. Wir hatten Heiratspläne geschmiedet und von einer gemeinsamen Zukunft geträumt. Bis zuletzt. Ich verstehe es nicht. Auch heute noch nicht. Zumindest nicht ohne den Glauben ans andere Geschlecht zu verlieren. Deshalb musste ich weg. Möglichst weit. Das Wega System wäre toll gewesen. Siebenundzwanzig Lichtjahre hörten sich wunderbar entfernt an und bestimmt gab es da einen lauschigen Planeten mit traumhaften Sonnenuntergängen. In Ermangelung realistischer Reisemöglichkeiten musste dann aber Kenia herhalten. Da kannte ich mich nach drei Urlauben wenigstens schon aus und ein Sundowner in der Massai Mara war vielleicht nicht so spektakulär wie auf einer fremden Welt, aber manchmal muss man nehmen, was man kriegt. Ich wollte ein paar Jahre dortbleiben, ein Leben führen wie in diesen alten Filmen. Daktari, Hatarie, Sie wissen schon. Einfach den Schmerz hinter mir lassen.
In Frankfurt am Flughafen hatte sich das noch fantastisch angehört, aber hier und jetzt fühlte es sich nur noch grenzdebil dämlich an. Denn nachdem sich die ganzen Touristen, die mit mir zusammen angekommen waren, auf die Hotelbusse verteilt hatten, war ich allein. Und damit meine ich wirklich allein. Ich war so etwas wie ein Alien. Ich glaube, es gab damals außer mir nicht einen einzigen anderen Weißen im Umkreis von zehn Kilometern. Theoretisch hatte ich das natürlich gewusst. Dass es in Schwarzafrika mehr Schwarzafrikaner gibt als Weiße, ist gängiges Allgemeinwissen, aber ich hatte nicht geahnt, wie es sich anfühlt. Ich war noch nie so allein gewesen, wie in jenen ersten Minuten auf dem Moi International Airport. Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass am Ende mehr als zwei wunderbare Jahre daraus werden würden, die mich tief verändert haben. Aber auch das ist eine andere Geschichte …